Emmy Hennings (1885–1948), geboren in Flensburg, war zunächst Schauspielerin und Vortragskünstlerin an Varietés und Kabaretts, später Lyrikerin und Schriftstellerin und nach dem Tod ihres Mannes Hugo Ball dessen Biografin und «lebendiger Nachlass». Viele ihrer Texte sind verstreut in Zeitungen und Zeitschriften erschienen oder längst vergriffen. Nun können sie neu entdeckt werden.
Die Kommentierte Studienausgabe Emmy Hennings enthält ausgewählte Werke, nach dem Originaltext ediert, mit Stellenkommentaren versehen und durch fundierte Nachworte ergänzt.
Herausgegeben von Christa Baumberger und Nicola Behrmann
Mit einem Nachwort von Christa Baumberger
Wallstein, Göttingen 2016
Der erste Band der Kommentierten Studienausgabe vereinigt den 1919 erschienenen Roman «Gefängnis» mit den zwei zu Lebzeiten unveröffentlichten Gefängnis-Romanen «Das graue Haus» und «Das Haus im Schatten».
1916 eröffnete Emmy Hennings mit Hugo Ball das Cabaret Voltaire in Zürich, wo die Dada-Gruppe nicht nur gegen den Krieg, sondern auch gegen die Kunst rebellierte. Hennings' 1919 erschienener Roman «Gefängnis» sorgte für großes Aufsehen: «Das ist kein Buch, sondern ein Aufschrei!», schreibt ein zeitgenössischen Rezensent und vergleicht ihren Text mit Oscar Wildes «Ballad of Reading Gaol» . In einer eindringlichen, expressiven Sprache seziert Hennings das Erlebnis einer Inhaftierung bis in die sprachlichen Details hinein. Dem Leser wird mit existenzieller Dringlichkeit vorgeführt, was es bedeutet, im Gefängnis zu sein. Das Verhältnis von Delinquenz und Strafvollzug, Schuld und Sühne beschäftigte Hennings viele Jahre. Davon zeugen die zwei weiteren Gefängnis-Texte «Das graue Haus» und «Das Haus im Schatten». Zum ersten Mal erscheinen alle drei Texte in einem Band.
Christa Baumberger arbeitet in einem fundierten Nachwort erstmals die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der drei Romane auf und situiert sie innerhalb der zeitgenössischen Gefängnisliteratur. Die Edition dokumentiert zudem die eindrückliche Wirkungsgeschichte mit einer umfassenden Sammlung zeitgenössischer Rezensionen.
Herausgegeben von Nicola Behrmann und Christa Baumberger
Mit einem Nachwort von Nicola Behrmann
Wallstein, Göttingen 2017
Nach Erscheinen ihres zweiten Romans «Das Brandmal» im Jahr 1920 galt Hennings als eine der wichtigsten Schriftstellerinnen ihrer Generation. Die radikale und selbstzerstörerische Aufrichtigkeit des Mädchens Dagny, das ruhelos durch die deutschen Städte zieht und sich zeitweise zur Prostitution gezwungen sieht, wurde mit den Romanen von Knut Hamsun und Dostojewskij sowie den «Bekenntnissen» von Augustinus und Rousseau verglichen. Auch heute liest sich der Roman als eindringliches Zeugnis eines bedrängten Lebens, das an Aktualität nichts verloren hat. Die 1923 erschienene Erzählung «Das ewige Lied» ist der Fiebermonolog einer Sterbenden, der in vielerlei Hinsicht an «Das Brandmal» anknüpft. Von der Literaturgeschichte nahezu vergessen, wird dieses Werk hier erstmals wieder aufgelegt.
Der zweite Band der Kommentierten Studienausgabe enthält beide Texte nach dem Erstdruck ediert und von einem ausführlichen Stellenkommentar begleitet. Eine umfassende Rezensionssammlung dokumentiert die beeindruckende Wirkungsgeschichte vor allem von «Das Brandmal» . Im Nachwort von Nicola Behrmann werden die biografischen Hintergründe beider Werke sowie deren Rezeptionsgeschichte und literarische Bedeutung erstmals aufgearbeitet.
«Die Romane sind der Wahnsinn. Hauen einem diese irre Zeit knallhart ins Gesicht.»
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 24.1.2016
«So lässt sich diese expressive Prosa endlich wiederentdecken.»
Anja Hirsch, Deutschlandfunk, 5.2.2016
«In eindringlicher expressiver Sprache seziert Hennings das Erlebnis der Inhaftierung bis in die sprachlichen Details hinein.»
Oliver Bentz, Wiener Zeitung, 6./7.2.2016
«Dass hier eine Dichterin ihre eigene Geschichte aufschreibt, ist nie zweifelhaft; aber eben: eine Dichterin, eine grosse! Wie Emmy Hennings die tausend Stimmen in ihrem Kopf und die tausend Stimmen um sich herum in einen Text bannt, das ist irrationaler Naturalismus von der erstaunlichsten Sorte.»
Alexander Solloch, Norddeutscher Rundfunk, 4.2.2016
«Christa Baumberger und Nicola Behrmann haben den Text vorbildlich ediert.»
Manfred Papst, NZZ am Sonntag, 28.2.2016
«Der Göttinger Wallstein-Verlag hat nun den ersten Band einer kommentierten Werkausgabe herausgebracht, in dem Hennings' Gefängnis-Geschichte in drei verschiedenen Versionen abgedruckt und kommentiert ist. (...) Die umfangreiche Kommentierung sowie zeitgenössische Dokumente wie Zeichnungen, Rezensionen und Gedichte vervollständigen den Band, der hoffentlich den Auftakt zur Erschließung eines verstreuten und hochinteressanten Gesamtwerks bilden wird.»
Katharina Döbler, Deutschlandradio Kultur, 5.2.2016
«ein trauriger, zugleich vitaler Text, der das erlebte Elend mit berührender Menschlichkeit und Echtheit bezeugt.»
Schweizer Feuilletondienst, 1.3.2016
«ein radikales Werk, das in seiner Konzentration auf das Erleben der Erzählerin ganz ungewöhnlich ist.»
Johannes Schmidt, literaturkritik.de, 2, Februar 2016
«Eine wichtige Rolle als Lebensgefährte und Förderer spielte Hugo Ball, der stets an Hennings glaubte. Schon Ende 1916 prophezeite er in einem Brief rühmend: ‹Sie wird mir nächstens den Rang ablaufen.› Bereits der erste Band der kommentierten Studienausgabe von Emmy Hennings’ Werken bedeutet einen Schritt in diese Richtung.»
Florian Bissig, viceversaliteratur.ch, 1.4.2016
«Ein handliches, sehr ansprechend gestaltetes Buch, das einen guten Einstieg in das Werk dieser interessanten Schriftstellerin ermöglicht.»
Mareike Liedmann, ekz.bibliotheksservice, 16.5.2016
«Im kürzlich erschienenen ersten Band der kommentierten Emmy-Hennings-Studienausgabe ist nun nachzulesen, in welcher Weise sich diese Gesetzesübertretungen ästhetisch manifestierten. In ihrem literarischen Debüt, dem 1919 erschienenen Band ‹Gefängnis›, protokolliert Emmy in einer Art Telegrammstil die Erfahrungen, die sie nach ihrer Inhaftierung wegen ‹Beischlafdiebstahls› durchlitt.»
Michael Braun, Neue Zürcher Zeitung, 6.8.2016
«Es handelt sich um eine kritische Studienedition, deren von Simone Sumpf unterstützten Herausgeberinnen Christa Baumberger (Kuratorin des Hennings-Nachlasses im Schweizerischen Literaturarchiv, Bern) und Nicola Behrmann als ausgewiesene Spezialistinnen von vornherein eine qualitativ hochstehende Edition erwarten lassen. Und in der Tat kann sie füglich so eingeschätzt werden, da sie sowohl hinsichtlich der Konstitution als auch der kommentatorischen Erschließung der Texte durch Spitzenleistungen überzeugt (...). Durch diese Edition (...) erhält Emmy Hennings ihre Eigenständigkeit und Eigenbedeutung wieder zurück, wird sie aus völlig unverdientem Vergessen geholt.»
Wolfgang Albrecht, Informationsmittel (IFB), digitales Rezensionsorgan für Bibliotheken und Wissenschaft, 25, 2017
«Sowohl ‹Das Brandmal› als auch ‹Das ewige Lied› beeindrucken als literarische Kunstwerke ebenso wie als aufschlussreiche Zeugnisse über die Persönlichkeit ihrer Autorin.»
Eberhard Falcke, SWR2, 9.5.2017
«‹Das Brandmal› (...) ein überraschendes Buch, ein Roadmovie mit Zeitsprüngen, das zu denken gibt.»
Christiane Magin, Die Rheinpfalz, 27.5.2017
«als präzise komponierte Dichtung, die bewusst an ältere Traditionen anknüpft und diese produktiv fortschreibt.»
Johannes Schmidt, literaturkritik.de, 27.5.2017
«Der biographische Kontext ist nur einer von vielen Aspekten, welche in der wissenschaftlichen Neuausgabe des Romans von Christa Baumberger und Nicola Behrmann in einem umfangreichen Anhang in lesenswerter Weise anschaulich gemacht wird.»
Florian Bissig, viceversaliteratur.ch, 3.7.2017
«Mit Hilfe dieser kommentierten Studienausgabe (...) kann der Leser auf Entdeckungstour gehen, um eine faszinierende Schriftstellerin der frühen Weimarer Republik kennenzulernen.»
belletristiktipps.de, 22.7.2017
Bilder
Emmy Hennings während der Arbeit an«Gefängnis», Ascona, April 1918, SLA
Postkarte aus dem Gefängnis, 1914/15, SLA
Rezensionssammlung zu «Gefängnis» und «Das Brandmal», SLA
Brief an Hugo Ball, SLA
Typoskript «Das Haus im Schatten», DLA