Herausgegeben von Christa Baumberger, Mirella Carbone, und Annetta Ganzoni
Chronos, Zürich 2018
Graubünden, und in besonderem Masse das Engadin, sind sprachliche und kulturelle Kontakträume: Rätoromanisch, Deutsch, Italienisch und weitere Sprachen treffen aufeinander und mischen sich. Einheimische und Fremde bevölkern diesen Raum, und Künstler und Schriftsteller prägen ihn seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert.
Der Band nimmt die Literaturtopografie Graubündens in den Blick. Im Zentrum steht die Ästhetik mehrsprachiger Texte: Dazu gehören das Schreiben in zwei Sprachen, Selbst- und Fremdübersetzungen, aber auch textinterne Phänomene von Sprachkontakt und Sprachmischung. Poetiken literarischer Mehrsprachigkeit werden sichtbar, die in Graubünden verankert sind, in der Ausprägung ihrer Phänomene aber weit darüber hinausreichen.
Die Publikation enthält theoretische Essays zum Verhältnis von Literatur und Mehrsprachigkeit und zur literarischen Mehrsprachigkeit in der bündnerromanischen Literatur. Fallstudien zu Sprachmischung in der rätoromanischen Literatur befassen sich mit Giovannes Mathis, Andri Peer, Leo Tuor und Arno Camenisch. Die Polyphonie in deutschen Texten aus Graubünden wird am Beispiel von Silvia Andrea, Annemarie Schwarzenbach, Ulrich Becher, Franz Hohler oder Erica Pedretti aufgezeigt.
Literarische Texte von Arno Camenisch, Franz Hohler, Tim Krohn, Angelika Overath und Leta Semadeni.
Tagung in Sils im Oberengadin vom 1. bis 3. September 2016. Konzept und Organisation: Christa Baumberger, Annetta Ganzoni und Mirella Carbone.
Die Tagung war eine Kooperation zwischen dem Schweizerischen Literaturarchiv und dem Institut für Kulturforschung Graubünden, in Zusammenarbeit mit dem Centre de traduction littéraire der Universität Lausanne und dem Übersetzerhaus Looren. Tagungsort war das Hotel Waldhaus in Sils, ein ebenso traditionsreicher wie gastfreundlicher Ort.
Die interdisziplinäre Forschung zur literarischen Mehrsprachigkeit hat sich in den letzten Jahren etabliert und international grosse Beachtung gefunden. Tagung und Publikation reflektieren den Forschungsstand und vereinen Fachbeiträge aus der Germanistik, Rätoromanistik, Italianistik, der Vergleichenden Literatur- und Übersetzungswissenschaft. Zum ersten Mal rückt dabei auch die Kleinsprache Rätoromanisch in den Fokus.
Buchvernissage am 6. September 2018 im Theater Chur.
Referat von Marco Baschera und Podiumsdiskussion mit Christa Baumberger, Annetta Ganzoni, Clà Riatsch. Moderation: Cordula Seger.
Buchpräsentation am 7. September 2018, Hotel Waldhaus Sils/Segl.
Dreisprachige Lesung von Göri Klainguti (Autor) und Walter Rosselli (Übersetzer). Präsentationen von Mirella Carbone, Annetta Ganzoni und Christa Baumberger.
Kabinettausstellung
Poetiken literarischer Mehrsprachigkeit
Poeticas da la plurilinguitad litterara
Poetiche del pluringuismo letterario
Schweizerisches Literaturarchiv
8.–24.9.2016
Kuratoren: Christa Baumberger, Annetta Ganzoni, Daniele Cuffaro
Eine Kabinettausstellung im Schweizerischen Literaturarchiv inszenierte literarische Mehrsprachigkeit im Raum und erweiterte das Tagungsthema um neue Aspekte.
Sprachenvielfalt, Sprachmischung und Mehrsprachigkeit haben die Avantgarden im ganzen 20. Jahrhundert inspiriert: Dada war eine mehrsprachige Bewegung, die Konkrete Poesie klopfte einzelne Wörter auf ihre Mehrsprachigkeit ab und die aktuelle «Spoken Word»-Szene klittert Mundart und Schriftsprache zu neuen Idiomen. Die Kabinettausstellung zeigt Facetten einer Poetik literarischer Mehrsprachigkeit: spielerisch und unsystematisch, quer durch alle Sprachen und Literaturen der Schweiz, mit Texten und Büchern von 1900 bis übermorgen…
«‹Sigls da lingua. Sprachsprünge. Salti di lingua. Poetiken literarischer Mehrsprachigkeit in Graubünden› [...] beinhaltet eine abwechslungsreiche Vielfalt an deutschen und italienischen Artikeln mit literaturwissenschaftlichen, literaturgeografischen und kunstgeschichtlichen Analysen zu Literatur aus und über Graubünden. Zusammengehalten werden die Texte durch den gemeinsamen Blick auf eine sprachliche Kontaktzone zwischen Nord und Süd, die ihre Spuren in der Literatur hinterlassen hat. Im Zentrum stehen die Themen Sprachmischung und -spiele, Übersetzungen und Vorstellungen zu Graubünden seit dem 19. Jahrhundert. [...] Dass es gelingt, derart unterschiedliche Beiträge, Perspektiven und Sprachen als stimmiges Ganzes erscheinen zu lassen, verdankt sich der wohldurchdachten Komposition und Strukturierung, der abwechslungsreichen Mischung von Text und Bild sowie den sorgfältig lektorierten und geschriebenen Texten. Die Vielfalt der Beiträge und der Ausdrucksformen spiegelt damit in eindrücklicher Art und Weise den Facettenreichtum des Gegenstandes – der literarischen Mehrsprachigkeit in Graubünden.»
Renata Coray, Bündner Monatsblatt 1/2019
«Das vielsprachige Engadin, gemäss Nietzsche eine Mischung zwischen südlichem Licht und nordischer Herbheit, hat sich immer wieder als Quelle der Inspiration für Kunstschaffende und Intellektuelle erwiesen. (…) Annemarie Schwarzenbach zum Beispiel sah sich in Sils verwurzelt. Während sie, wie Christa Baumberger aufzeigte, das Rätoromanische vor allem in seiner Fremdheit charakterisierte, verwob es Ulrich Becher zusammen mit vielen anderen Sprachen in seinen Roman Murmeljagd.»
Claudia Cathomas, Babylonia 3/2016
«Il plurilinguismo nel campo letterario è già stato oggetto di una serie di indagini sia in Svizzera sia a livello internazionale, ma una tale prospettiva, di messa a confronto delle tre lingue cantonali, finora mancava per l’eccezionale situazione grigionese. In questo senso, il volume colma una lacuna. (...) Un altro pregio di Salti di lingua è di dare la parola a cinque autori contemporanei (Leta Semadeni, Franz Hohler, Angelika Overath, Tim Krohn, Arno Camenisch) i cui testi in apertura del volume, sia in prosa sia in versi, ci offrono, oltre a un assaggio vivo e rappresentativo della materia trattata della componente ludica o sovversiva legata al ricorso alla commistione linguistica, anche qualche dichiarazione di poetica.»
Renato Weber, Cenobio. Rivista trimestrale di cultura IV/2018
«Christa Baumberger, collavuratura da l'ASL, s'ha occupada cun persunas mundanas e las linguas mundialas i'ls texts engiadinais daspö l'on 1930. ‹Il plurilinguissem e la masdada da linguas vegnan gugent dovrats per far gös da lingua e per imitar ün tschert colorit local. Els pon minchatant eir survgnir üna dimensiun politica›, ha'la manzunà.»
Annatina Filli, La Quotidiana, 6.9.2016
«Ein starkes Buch zur Ferienecke der Schweiz und seiner Literaturtopografie, das zudem Lust macht, die besprochenen belletristischen Werke wieder oder endlich einmal zu lesen.»
Daniel Anker, Bergliteratur.ch, 6.9.2018
«Das Engadin ist ein beliebter literarischer Schauplatz. Der Austausch über Poetiken literarischer Mehrsprachigkeit könnte deshalb kaum einen attraktiveren Rahmen erhalten.»
pd., Engadiner Post, 30.8.2016
«Resumond ha Overath descrit la dieta sco ‹in dachasa pluriling›, ed uschia è naschì or dals sigls da lingua in barat tranter differentas regiuns linguisticas, culturas e scienzas da litteratura che vegn a resunar era sur ils cunfins da l’Engiadina ora.»
Claudia Cathomas, Babylonia 3/2016
Bilder
Zeitschrift «Schweiz Suisse Svizzera Switzerland», Grafik von Eugen Häfelfinger, März 1955
Annemarie Schwarzenbach und Hans Rudolf Schmid, «Schweiz. Ost und Süd», München 1932
Fögl d'Engiadina, Dumengia saira, 1901. Chesa Planta, Samedan
Zürcher Illustrierte, «Il rumantsch lingua naziunala», 11.2.1938
Fotos: Schweizerische Nationalbibliothek Bern